Das „1 in 6 by 2030“ Projekt – Fotoreportagen, die demographische Statistiken visualisieren
Meine Suche nach einem 72-jährigen Modell für ein internationales Foto-Projekt, der renommierten Fotojournalisten Ed Kashi, Ilvi Njiokiktjien und Sara Terry.
Das 1. Kapitel: “72”
72 Jahre ist derzeit die durchschnittliche weltweite Lebenserwartung und ist deshalb das erste Thema des 7-jährigen Fotoprojekts „1 in 6 by 2030“, welches von den renommierten Fotografen Ed Kashi, Ilvy Njiokiktjien und Sara Terry ins Leben gerufen wurde. Das Ziel dieses Projekts ist es den demographischen Statistiken über das Altern der Weltbevölkerung ein menschliches Gesicht zu verleihen. Dies ist das Leitbild von Dokumentarfotografen seit Dorothea Lange und Walker Evans, welche in den 1930er Jahren über die Große Depression in den USA fotografisch berichteten.
2030 wird einer von sechs Menschen weltweit 60 Jahre oder älter sein (1in6by2030). Das ist ein Meilenstein in der Menschheitsentwicklung und impliziert viele Veränderungen in den Gesellschaftsstrukturen. Nicht nur werden die Menschen länger leben, sie werden auch länger im Berufsleben bleiben und anders, hoffentlich gesünder, altern.
Die Einladung meines Mentors Ed Kashi bei dem 1in6by2030-Projekt mitzuwirken, ehrte mich sehr und so plante ich die Fotostrecke während eines Frühjahrsurlaubs 2023 in Portugal zu fotografieren.
Wie finde ich ein 72-jähriges Modell in Portugal ?
Auf unseren Stopps in Tràs Montes, dem Nordosten Portugals versuchte ich mehrfach, mit der älteren Dorfbevölkerung in Kontakt zu treten, jedoch waren die Sprachbarrieren zu groß, um meine Idee erklären zu können oder das Modell war, wie hier Margharita über 80.
Ein Bauer im Val de Côa, das berühmt für seine prähistorischen Felszeichnungen ist, sprach Französisch, war jedoch mit 70 Jahren zu jung für das Projekt.
Nunho, der französischsprechende Barkeeper und Gemischtwarenhändler des winzigen Dorfes Aldeia do Souto in der Sierra d’Estrella, dem höchsten Bergmassivs Portugals, verhalf mir schließlich zu meinem Glück. Mehrere Tage lang besuchten wir regelmäßig seine Bar und tranken Vinho Verde. Verschiedene 72-jährige Damen des Dorfes waren jedoch nicht bereit mir Einblicke in ihr Leben zu gewähren.
Dann traf ich auf Mario Torres, mein Modell! Ich folgte ihm drei Tage lang auf Schritt und Tritt, bis genug Motive im Kasten waren und die vorliegende Bilderstrecke entstand, wobei seine Schmerzgrenze und Toleranz mir gegenüber längst überschritten waren.
Vom portugiesischen Imperialismus zum Paradis der 100-jährigen
Die Animation zeigt die Bevölkerungsstruktur Portugals im Jahr 2023. Deutlich zu erkennen ist, dass bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 10 Millionen, der Großteil der Portugiesen zwischen 40 und 70 Jahre alt ist. Die für Industrienationen typische Champignon-Form der Abbildung weist auf eine überalternde Gesellschaft mit zu wenig Nachkommen hin. Derzeit ist etwa ein Viertel (22%) der Bevölkerung über 65 Jahre alt, eine Situation, die schwer auf den Rentenplänen lastet. Mit weniger als 80.000 Geburten im Jahr 2021 wird die demografische Situation schwierig, da die zukünftige steuerzahlende Arbeitskraft fehlt und das Land aufgrund der weiter anhaltenden Abwanderung, v.a. aus dem Landesinneren zu viele Menschen verliert.
Als imperialistische Nation mit einer mächtigen Seemacht, die viele überseeische Gebiete kolonisierte, hat Portugal seit dem 15. Jahrhundert bis zur Industrialisierung und der Erfindung von Dampfschiffen einen Arbeitskräfteexodus erlebt. Die Bevölkerung konzentriert sich seitdem entlang der Küste.
Die komplizierte politische Situation des 20. Jahrhunderts mit der Salazar-Diktatur setzte diesen Trend fort; viele Enkel der Auswanderer leben heutzutage in Nordeuropa oder Amerika und beabsichtigen oft nicht, außer für Urlaube, zurückzukehren.
Dennoch scheint das Leben in Portugal gut und lang, wie die hohe Anzahl von 3000 Hundertjährigen zeigt: Portugal ist das drittälteste Land in Europa und weltweit das fünftälteste.
Kapitel 2: Weiterarbeiten oder in Rente gehen?
Der Arzt und Psychotherapeut Dr. Rüdiger Dahlke ist mein zweites Modell für das Fotoprojekt. Ich besuchte sein Heilungszentrum TamanGa in der österreichischen Steiermark im Oktober 2023 und folgte ihm und seiner Seminargruppe von Wein-Fasten-Wanderern einige Tage lang. Die Fotoreportage zur Frage „Weiterarbeiten oder in Rente gehen“ wird im April 2024 bei „1in6by2030“ veröffentlicht.
In eigener Sache: Liebe Freund*innen und Unterstützer
Wie viele Fotograf*innen kennst du, die dieses Jahr ein Fotobuch publiziert haben? Mein dreisprachiges Fotobuch “Quand même / Anyway / Trotzdem” ist ein historisches Werk, da es lebendige, schöne und auch lustige Portraits vom 1. Lockdown 2020 zeigt, als die Menschen in der Angst und im Drama gefangen waren.
Meine mutige Verlegerin Isabelle Dugied hat in eine Auflage von 400 Exemplaren, mit einem qualitativ hochwertigen Druck, investiert. Jedoch werden diese Bücher noch nicht vertrieben, weder in Frankreich, noch in Deutschland, da es sich um ihr erstes Buch handelt. Das bedeutet, dass wir von Buchhandlung zu Buchhandlung ziehen und es persönlich dort anbieten; eine echte, mühselige Herausforderung, mit der keine schwarzen Zahlen geschrieben werden. Bisher wurden ca. 100 Bücher verkauft, sprich da ist noch Luft nach oben!
Du kannst uns unterstützen: Verschenke mein Buch zu Weihnachten!
Bei Café Lehmitz kannst du es online bestellen oder in Köln (Walther-König, der andere Buchladen, Vita Verde Rodenkirchen), in Nürnberg (Walther-König, Buchhandlung Jakob), in Fürth (Buchhandlung Edelmann, Jungkunz, die buchhandlung), in Innsbruck (Wagnersche) direkt im Laden erwerben.
Ich bin auf der Suche nach weiteren Buchhandlungen für den Vertrieb. Bitte schreib mich an.
Vielen Dank an meine Lektorin Jamilla aus Köln!